ausdrucksstark
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«Nichts beflügelt Menschen mehr,
ihr Bestes zu geben, als die Gewissheit,
dass ihr Leben und ihre Arbeit einen Sinn haben.»
Victor Emil Frankl, 1905 - 1997,
österreichischer Psychiater und
Überlebender von vier Konzentrationslagern
Wir Menschen wollen für etwas gut sein, ganz allgemein im Leben und im Besonderen bei der Arbeit. Wir wollen uns sinnvoll in der Welt einbringen und etwas von Bedeutung schaffen. Ohne Sinn werden wir unglücklich, sind unzufrieden, ja frustriert. Der Erfolg eines Unternehmens steht und fällt mit dem Leistungswillen der Mitarbeitenden. Nur: Wann erleben wir bei unserer Arbeit Sinn und wie können Führungskräfte Sinnerleben unterstützen?
«Sinnerleben» ‒ in der Tat, ein grosses Wort! Nähern wir uns dem Thema, Schritt für Schritt: Der Ausdruck «Sinn» stammt aus dem Althochdeutschen und bedeutet reisen, gehen, eine Richtung einschlagen. Sinn spiegelt unsere innere Ausrichtung. Sinnorientierung spricht Menschen auf der geistigen Dimension an. Natürlich haben wir als Menschen einen Körper, haben Gedanken, Gefühle, eine Psyche, aber wir sind vor allem auch geistige Wesen. Die geistige Dimension macht uns Menschen erst aus, sie ist das Ur-Menschliche, auch wenn wir es vergessen haben. Die geistige Dimension ist unsere Fähigkeit, Zusammenhänge zu sehen und uns selbst in unseren wechselnden Befindlichkeiten zu reflektieren, dazu Stellung zu nehmen und eigenständig zu entscheiden, es ist die Ebene der Werteorientierung, der Visionen, ist kreatives Denken, schöpferisches Gestalten. Die geistige Dimension erlaubt uns, den Blick auf das Ganze zu richten, auf die Absichten, das Wozu des Lebens.
«Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei
und würd‘ er in Ketten geboren.»
Friedrich Schiller
ist ein zutiefst humanes, Menschen wertschätzendes, förderndes und forderndes. Ausgangspunkt ist die Freiheit des Menschen. Freiheit nicht im Sinne, dass wir als soziale Wesen tun und lassen können, was wir wollen, dass wir Gesetze missachten, um jeden Preis Tabus brechen, die Sau rauslassen können. Freiheit ist nicht Willkür, denn zur Freiheit des Menschen muss sich immer auch die Verantwortung gesellen. Und natürlich sind wir auch nicht frei von inneren Umständen und Anlagen, zum Beispiel den Konzepten unserer Erziehung und Sozialisation.
Unsere eigentliche Freiheit besteht darin, dass wir zu den äusseren und inneren Umständen Stellung beziehen können. Denn die Lebenssituationen, die Probleme und Schwierigkeiten des Lebens können wir vielfach nicht ändern. Wohl aber die Art und Weise, wie wir uns auf die Impulse von aussen einstellen, unsere Einstellung, die liegt in unserer Hand, das ist unser Verantwortungsbereich. Wir sind frei und verantwortlich für die Einstellung, die wir angesichts all der Umstände einnehmen. Unsere Haltung ist das Entscheidende. Sinnorientierte Lebens- und Menschenführung zielt auf diese Haltung ab. Es gilt nicht in erster Linie, Probleme zu lösen, sondern die Einstellung zu den sogenannten Problemen zu optimieren. Was ist die ideale Haltung angesichts einer Lebenssituation? – so lautet die herausfordernde Frage der Sinnorientierung. Aus dieser Haltung heraus lässt sich in der Folge tatkräftig, gezielt und sinnvoll agieren.
Aus diesem haltungsoptimierenden Fokus heraus agiert auch die sinnorientierte Führungspersönlichkeit, indem sie versucht, die Einstellung der Mitarbeitenden zu justieren und indem Führungskräfte grundlegend erkennen, welches die Bedingungen für Sinn bei der Arbeit sind und wie eine förderliche Antwort darauf lauten könnte.
Sinnerfüllung bei der Arbeit ist eine individuelle Erfahrung, sie basiert auf vier Eckpfeilern: Auf der Erfahrung der Bedeutsamkeit der eigenen Tätigkeit, der Orientierung im beruflichen Rahmen, der Kohärenz der getätigten Arbeit und auf dem Gefühl der Zugehörigkeit.
Bedeutsamkeit: Diese Forderung betrifft den eigentlichen Kern der Arbeitstätigkeit. Ist meine Arbeit überhaupt wichtig? Bedeutsamkeit meint den persönlich wahrgenommenen Nutzen der Arbeit für andere Menschen, für das Unternehmen, für die Gesellschaft. Die wahrgenommene Aufgabenbedeutsamkeit ist die wichtigste Quelle der Sinnfindung. ‒ Sinnorientierte Führungspersönlichkeiten erteilen darum nicht nur Aufträge, sondern sind im Dialog mit den Mitarbeitenden, um sie immer wieder über die Bedeutung der Aufgaben umfassend ins Bild zu setzen. Das bedingt Wertschätzung und eine Feedbackkultur, die den Namen „Kultur“ auch verdient. Nur schon jedes «danke, gut gemacht» ist ein ermunterndes Sprungbrett im Rahmen der Forderung nach Bedeutsamkeit.
Orientierung: bezieht sich auf die generelle Ausrichtung der beruflichen Tätigkeit. Es geht um Werte im Unternehmen, um Vision und Mission, die bestimmen, welche Strategien und Ziele verfolgt werden. So wie die Teilnahme an Olympischen Spielen für Sportler ein Ziel sein kann, für das es sich vier Jahre lang zu schuften lohnt, so kann eine klar kommunizierte unternehmerische Ausrichtung ganz natürlich das Feuer der Arbeitsmotivation anfachen und hochhalten. «Wer ein Wozu im Leben hat, erträgt fast jedes Wie» (Friedrich Nietzsche).
Kohärenz steht für Passung: Eine Person sollte zu ihrer Arbeit passen. Passung der Person und der innehabenden Position, Passung im Hinblick auf Ausbildung, Persönlichkeit, Fähigkeiten und Interessen. Passung, damit die persönlichen Ziele und Sinnvorstellungen mit den übergeordneten, unternehmerischen Zielen übereinstimmen. Ideal ist die Passung, wenn sie weder zu Unter- noch zu Überforderung führt. Im Anspruch der Stimmigkeit von Arbeit und Mensch öffnet sich auch das weite Feld der Entfaltung des Potentials eines Menschen. Sinnorientierte Führungspersönlichkeiten sehen Menschen ganzheitlich, ja sie sind eigentliche Menschenförderer. Sie sorgen dafür, dass «Mitarbeitende aufrechter nach Hause gehen» (Pater Anselm Kiefer).
Zugehörigkeit ist das Gefühl und die Gewissheit, Teil eines Ganzen zu sein. Das Zugehörigkeitsgefühl ist eng mit der Frage nach Sinn verbunden und beeinflusst unsere Leistungsbereitschaft enorm: Wer sich zugehörig ‒ sprich: akzeptiert, anerkannt, wertgeschätzt fühlt ‒, ist bereit, seinen Beitrag zum Ganzen zu leisten und sich für die Gruppe einzusetzen, ist bereit, sich wirklich zu engagieren und sein Bestes zu geben.
Letztlich geht es beim Gefühl der Zugehörigkeit um die Identifikation mit einem Unternehmen, um die Verbundenheit mit der Kultur in einem Haus. Welcher Geist herrscht denn hier? Wege zu einem förderlichen Betriebsklima sind unter anderem eine konstruktive Konfliktkultur, ein wertschätzender Umgang miteinander, eine partizipative Zusammenarbeit: Das stärkt das Wir-Gefühl und ermöglicht Sinnfindung für Mitarbeitende. Die Sinnerfüllung für Mitarbeitende steigt nochmals, wenn sie merken, dass es dem Arbeitgeber nicht primär um Profit geht, sondern dass auch gesellschaftliche Anliegen bedacht werden. Zugehörigkeit ist das sinnstiftende Eingebettet-Sein in ein grösseres Ganzes.
«Der Unterschied zwischen irgendeinem Job
und einer sinnvollen Tätigkeit ist riesig –
im persönlichen Erleben
wie hinsichtlich der Auswirkungen für den Arbeitgeber»
Tatjana Schnell,
Leiterin der Abteilung Sinnforschung
an der Universität Innsbruck
Die sinn- und werteorientierte Führung ist die Kunst der natürlichen Motivation. Wer Mitarbeitende ermutigen möchte, muss an das Positive im Menschen glauben. Nur eine authentische Ermutigung regt Menschen an, ihr Bestes zu geben, ihre eigenen Fähigkeiten zu erkennen und zu verwirklichen. Das bedingt von der Führungsperson ein Interesse an Menschen und Wertschätzung. Sinnorientierung macht Mut. Ermutigung ist der Nährboden für eine gesunde Entwicklung. Wir sollten nicht darauf warten, bis andere uns ermutigen, sondern jetzt anfangen, andere Menschen und uns selbst immer wieder zu fördern und aufzubauen. Um so in unserer Arbeitsumgebung eine Kultur der Ermutigung zu schaffen.
Kerngedanken sinn- und werteorientierter Führung